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Architektur

Ein Bauherr mit Geschmack und einem Faible für den Jugendstil: Architekt und Bauunternehmer Kurt Berndt errichtet ab 1905 am Hackeschen Markt Deutschlands größtes zusammenhängendes Hofareal mit Berlins schönstem Entree

Die Fassade in Hof 1 mit weißen und blauen Kacheln und mehreren Fenstern.

KURT BERNDT

Ein besonderes Konzept für die Höfe

Architekt und Auftraggeber der Anlage war Kurt Berndt. Als Bauunternehmer und Architekt hatte er sich ein gewisses Renommee erarbeitet: Die Wittler-Brotfabrik im Wedding, der Victoriahof in der Köpenicker Straße und die Kurt-Bernd-Höfe in der Schönhauser Straße sind Berndt-Bauten, die noch heute zu sehen sind.

Die Hackeschen Höfe aber sind etwas ganz Besonderes. Schon ihr Konzept ist interessant, denn bei den 9.200 Quadratmetern Grundfläche setzte Berndt auf eine Mischnutzung, also ein Nebeneinander von Gewerbe und Wohnflächen. Heute ist diese gemischte Nutzung wieder Standard geworden, um Stadtviertel nachhaltiger zu gestalten. Damals aber spielte vor allem die Überlegung eine Rolle, das wirtschaftliche Risiko der Höfe durch eine Mischkalkulation aus Wohn-, Gewerbe- und Handelsmieten zu verringern.


Luftbild der Hackeschen Höfe

Da die Hackeschen Höfe von Anfang an im Wettbewerb zu anderen Gewerbehöfen standen, die im wirtschaftlich prosperierenden Berlin der Gründerzeit errichtet wurden, waren sie für Unternehmen und Mieter attraktiv. Zum einen durch die Lage mit dem direkten Zugang zur Spandauer Vorstadt. Außerdem verlieh die hohe Qualität der Wohnungen und Gewerbegebäude dem gesamten Objekt einen repräsentativen Charakter. Und schließlich sorgte die Infrastruktur mit Zentralheizung und eigener Stromerzeugung für moderne Arbeits- und Produktionsbedingungen.

Insgesamt acht Höfe wurden nach Berndts Entwürfen mit Gewerbe- und Wohngebäuden errichtet. Rund 16.000 Quadratmeter Gewerbefläche und 80 Zwei- bis Fünf-Zimmerwohnungen auf weiteren 8.000 Quadratmetern machten sie Höfe zum bis heute größten Wohn- und Gewerbekomplex seiner Art in Deutschland.

Festsaal in den Hackeschen Höfen

AUGUST ENDELL

Eine besondere Gestaltung

Doch allein die Größe des Hofgeflechts am Hackeschen Markt genügte nicht, um zu einer Besonderheit im boomenden Berlin der Gründerzeit zu werden. Architektonisch trug die Fassade an der Rosenthaler Straße eine damals übliche, opulente Stuckverzierung. Der erste – und repräsentativste – Hof der Anlage aber sollte besonders gestaltet werden.

Damit kam August Endell ins Spiel: Höfe-Bauherr Kurt Berndt war ein begeisterter Anhänger des Jugendstil. Mit dem Self-made-Architekten, Philosophen und Ästheten August Endell fand er den passenden Getalter für eine repräsentativen und moderne Fassade im ersten Hof.

Eckbild der Hackeschen Höfe Fassade

Denn Endell war ein Allroundtalent. Er wirkte in München, Berlin und Breslau, entwarf Möbel genauso wie Wohnungen und Gebäude und hatte sich auch als Theoretiker einen Ruf gemacht. Vor allem die aufsehenerregende Gestaltung eines Münchener Fotoateliers sorgte für Aufsehen: Das seltsame, drachenförmige Ornament in der Fassade gilt auch heute noch als visuelle Ikone für den künstlerischen Aufbruch der Jahrhundertwende.

In den Hackeschen Höfen gestaltete Endell die Fassaden im ersten Hof und die beiden Festsäle im Quergebäude – dort befinden sich heute das Varieté und Filmtheater – sowie die Treppenhäuser. Auch der Kleine Festsaal im Parterre des rechten Seitenflügels, das Weinrestaurant im Entree und im linken Seitenflügel (heute Restaurant Hackescher Hof) sowie das Restaurant im Quergebäude (heute Lounge-Café Oxymoron) des ersten Hofes stammen aus seiner Feder.

Treppenhaus in den Hackeschen Höfen
Historisches Bild von Neumanns Festsälen in Hof 1 Historisches Bild von Neumanns Festsälen in Hof 1
Neumanns Festsäle in Hof 1
Historisches Bild einer Stuckdecke Historisches Bild einer Stuckdecke
Deckendekoration von August Endell in Neumanns Festsälen
Historisches Detailbild einer Stuckdecke mit floralem Muster Historisches Detailbild einer Stuckdecke mit floralem Muster
Deckendekoration von August Endell in Neumanns Festsälen
Historisches Detailbild einer Stuckdecke in den Hackeschen Höfen Historisches Detailbild einer Stuckdecke in den Hackeschen Höfen
Deckendekoration von August Endell in Neumanns Festsälen

Die Wirkung ist auch heute noch beeindruckend. Die verschiedenfarbig glasierten Backsteine ziehen den Blick automatisch auf sich. Mit ihrem rhythmisch-wellenförmigen Muster brechen sie die klaren Umrisse des Gebäudes optisch auf und simulieren Plastizität und Bewegung – aus dem Hof wird so ein einzigartiges Raumerlebnis.

Diese eigenartige Formdynamik mit ihrer akzentuierten Farbgestaltung selbst kleinster Details verleihen dem Ort bis heute eine architektonisch einzigartige Kulisse für Tanz, Konzerte, Lesungen und Feiern. Endell prägt durch seine Handschrift das Image der Höfe bis heute. Und auch für ihn war der Bau ein Gewinn: Er wurde zu einem der interessantesten Baukünstler des Berliner Jugendstils und steht heute in einer Reihe mit Peter Behrens, Hermann Obrist, Henry van de Velde und großen Künstlern.

Festsaal in den Hackeschen Höfen
AUGUST ENDELL

»Die Schönheit der Grossen Stadt« (1908)

»Ist so die Große Stadt schon dem Hörenden ein bewegtes, reich gegliedertes Wesen, so schenkt sie unerschöpflich dem Sehenden, die Stadt als Landschaft, als buntes, ewig wechselndes Bild gibt einen Reichtum, eine Fülle.«